Sunday, July 27, 2014

WM Spieler: Die sind HELDEN!

STERN  15. Juli 2014   Von Mathias Schneider 
Jogis Weltmeister reisen in ihren verdienten Urlaub. Bevor die fußballlose Zeit so richtig losgeht, lohnt sich noch ein Blick auf die Turnierleistung der 23 Helden. Die finale WM-Einzelkritik.  

WM 2014, Weltmeister, Deutschland, Einzelkritik, Kritik der WM-ElfGoodbye, schönen Urlaub, Jungs.©

Was fehlt eigentlich noch bei der WM-Berichterstattung? Hat man die Guten nun angemessen gewürdigt, muss man noch mal über die Bedeutung des Sieges für Fußball-Deutschland sprechen? (Die Antwort: Nein! Der Fußball brummt bereits mit seinen Sponsoreneinnahmen und gut gefüllten Stadien. Jetzt brummt er eben noch ein bisschen lauter). Muss man noch zum tausendsten Mal über die formidable Nachwuchsförderung des DFB sprechen? (Antwort: Wieder Nein! Dass die Nachwuchsleistungszentren der Bundesligisten kleine Götzes ausspucken, hat mittlerweile selbst jeder Volleyball-Fan begriffen). Kurzum, man ist festen Willens, jetzt nicht irgendwelche Politiker, Sozialwissenschaftler und B-Promis zu Wort kommen zu lassen. Doch eines fehlt noch:
Die finale Würdigung dieses WM-Kaders!

Manuel Neuer

Startete als bester Torwart der Welt ins Turnier, von dort ging es dann steil bergauf. Stieg schnell zum besten Torwart aller Zeiten auf, was seine Befürworter noch immer als schamlose Untertreibung empfinden. Deshalb hieß es bei Männern wie dem DFB-Fitnesscoach Mark Verstegen schnell: "The Manu has defined the modern game of the torwart." Heißt frei übersetzt: Der Manu hat das Torwartspiel auf ein neues Niveau gehoben. Spielt so ein WM-Finale mit der gleichen Aufregung wie den Audi-Cup in der Saisonvorbereitung. Empfing natürlich auch den Handschuh für den besten Torwart des Turniers. Welttorhüter. Was kann da noch kommen? Eigentlich nur der Aufbruch in ferne Galaxien.
WM 2014, Weltmeister, Deutschland, Einzelkritik, Kritik der WM-ElfManuel Neuer im Laufduell mit Algeriens Islam Slimani©

Philipp Lahm

Der Kapitän. Soll man jetzt noch einmal anfangen, ihm Blumenkränze zu flechten. Er hat ein solides Turnier gespielt, mit ein paar Wacklern, was bei einem wie ihm schon mal in eine nationale Krise mündet, man kennt das nicht von ihm. Als es im Finale dann zählte, war er da, kurbelte an, unermüdlich. Zeigt, wer diese Elf maßgeblich trägt. Und wer ihr eine innere Zähigkeit verleiht. Ein großes Spiel. Ein großer Spieler.

Jerome Boateng

Alle reden von Schweinsteiger, von Lahm, von Götze. Aber was für ein Turnier. Vor allem aber: Was für ein Finale. Es war ja lange nicht klar, ob es Boateng einmal unter die Besten seiner Zunft würde schaffen können, immer wieder garnierten rätselhafte Aussetzer sein Spiel, die Konzentration war dann weg. Bleiben diese Konzentrationslücken aber aus, verfügt Deutschland über einen der besten Innenverteidiger, den dieser Sport kennt. Unglaublich schnell im Sprint, resolut im Tackling, mit einer Energie, die einschüchtern kann. Berlin kann stolz auf diesen Boateng sein. München auch.

Mats Hummels

Musste um seinen Platz in dieser Elf vor dem Turnier kämpfen, setzte sich dann natürlich durch. "Man of the Match" gegen Frankreich, nicht nur seines Tores wegen, stark gegen Brasilien. Argentinien? Nun ja, wer so forsch antizipiert als letzter Man in Zweikämpfen, um dem Infight aus dem Weg zu gehen, der liegt leider auch einmal daneben. Man kann es ihm nicht ersparen, aber wenn Deutschland auch diesmal als Zweiter nach Hause gefahren wäre, hätte dieser Hummels seinen Beitrag. Was nicht heißt, dass Deutschland nicht zwei Innenverteidiger hat, um die man es beneiden sollte, wenn man Engländer oder Franzose ist. Aber: seltsam verhalten, der Hummels ,nach dem Spiel. Das muss besser werden in zwei Jahren, wenn in Frankreich wieder gefeiert wird!
WM 2014, Weltmeister, Deutschland, Einzelkritik, Kritik der WM-ElfMats Hummels©

Benedikt Höwedes

Über die Abendschule in die Elf gerutscht. Eigentlich Innenverteidiger, dann fehlte einer rechts. Steht nicht immer richtig, passt nicht immer präzise, aber, Junge, was für ein Einsatz. Maßgeblicher Grund, warum die Deutschen in der Luft vorne wie hinten so gefürchtet waren. Und damit als Elf eine gänzlich andere Ausstrahlung erhielten. Ist jetzt auch Weltmeister. Als linker Verteidiger. Bringt damit alles mit für den Künstlernamen Fußball-Gott.

Bastian Schweinsteiger

Sechs Wochen hat er nicht gesprochen. Zum Auftakt des Trainingslagers in Südtirol, da hockte er noch mürrisch in seinem Ratan-Sessel, der ganze Schweinsteiger, ein Bild des Jammers. Zweifel nisteten sich ein, ob das noch etwas wird mit dieser WM. Er ist dann langsam ins Turnier gestartet, wurde solider, solider, solider – und dann: Finale. Wie ein Gladiator warf er sich in jeden Zweikampf, 120 Minuten. Und zeigte, warum es Spieler gibt, auf die eine Elf nur schwer verzichten kann. Ihre Ausstrahlung und Sehnsucht nach Erfolg so viel größer als die Summe ihrer Fertigkeiten. Jetzt geht Schweinsteiger als einer der größten deutschen Mittelfeldspieler in die Länderspielgeschichte ein.
WM 2014, Weltmeister, Deutschland, Einzelkritik, Kritik der WM-ElfBastian Schweinsteiger und Joachim Löw nach dem Titelgewinn©

Christoph Kramer

Ist jetzt Weltmeister, und wird in den nächsten 500 Jahren einer der Elf sein, die zur Startaufstellung gehörten. Durfte für Sami Khedira ran. Musste dann aber schnell wieder raus. Macht nichts. Wird bleiben. Wenn nicht mehr allzu lange in Mönchengladbach, so doch als Akteur dieser Elf. Aber Achtung: Die Benders und Gündogan lauern!

Toni Kroos

Das war "Kroosartig" schrieb die Bild zum Halbfinal-Auftritt von Toni Kroos. Und wir schließen uns an. Toni hat ein kroosartiges Turnier gespiel. Er hat sich endgültig durchgesetzt, im deutschen Mittelfeld, aber auch als Figur des internationalen Fußballs. Ein Drehkreuz, mittlerweile in alle Richtungen, nicht nur nach vorn. Und doch, könnte noch eine Spur leidenschaftlicher auftreten, vor allem wenn sich Fußballspiele zu einer Schlacht ausweiten. Real wird ihn lieben. Es bekommt jetzt einen Weltmeister.

Thomas Müller

Der Müller halt. Mit 24 alles gewonnen, das macht selbstbewusst, auch klar. Wenn er eine Spur Anstand hat, beendet er sofort seine Karriere, bevor es peinlich wird mit all den Titeln. Aber ihm ist ja nichts peinlich. Ist als Raumdeuter mittlerweile so oft beschrieben worden, dass man das nicht noch einmal tun möchte. Hat wieder ein großes Turnier gespielt. Dass das Finale nicht zu seinem wurde, darf man ihm nicht nachhalten. Es war nicht der Tag der Stürmer, Langholz war Trumpf. Brachte sich deshalb als Läufer vor der Abwehr ein. Bleibt ja jetzt beim FC Bayern, im Gegensatz zu Kroos. Schön für die Münchner.

Mesut Özil

Bei dieser WM ein wertvoller Rollenspieler, auch dann, wenn er nicht an Torvorlagen beteiligt war. Sein Glück, dass der verdammt gute Reus passen musste. Dadurch ohne echten Herausforderer. Aber auch so zumindest befriedigend, wenn da nur sein riesiges Talent nicht wäre und ein Anspruch, einem jeden Spiel den Stempel aufzudrücken. Aber was will man einem wie ihm vorwerfen, der jetzt spanischer Meister, Pokalsieger und Weltmeister ist? Dass er noch mehr aus seinem Talent machen soll? Wenn es ihm nicht gelingen sollte, ist Weltmeister auch nicht so schlecht.

Miroslav Klose

Rekordtorschütze. Weltmeister. Ergreifend, wie bei ihm, so nach Innen gekehrt, danach die Tränen flossen. Opferte sich noch einmal auf. Lief, so weit die nicht mehr ganz so frischen Füße ihn trugen. Wird immer als der Spieler in Erinnerung bleiben, der direkt in den Nationalmannschaftskader geboren wurde. Spielte er überhaupt auch für Vereinsmannschaften? Ja, unter anderem für den FC Bayern, mit mäßigem Erfolg. Macht nichts. Er bleibt für immer "der Miro“ Deutschlands. Natürlich auch in vier Jahren wieder dabei, dann längst vereinslos. Aber für ne WM reicht es doch immer. Ok, vielleicht nicht mehr ganz.

Mario Götze

Götze schrieb die Geschichte vom Fußballwunderkind. Dabei spielte er lange eine gar nicht so wunderbare WM. Aber, wie sagt man so schön: Große Spieler zeigen sich in großen Spielen. Und wer das Siegtor im WM-Finale, dazu noch so ein schönes Siegtor im WM-Finale erzielt, der kann nur a) ein weltklasse Fußballer sein und b) eine unglaublich gute WM gespielt haben.
WM 2014, Weltmeister, Deutschland, Einzelkritik, Kritik der WM-ElfMario Götze beim Siegtor©

Sami Khedira

Bärenstark gegen Brasilien, dann machte vor dem Finale leider die Wade zu. Es ist ein Jammer, dass er beim WM-Triumph keine Sekunde auf dem Platz stand. Er wird dennoch für alle Ewigkeit in die Geschichte eingehen. Toni Kroos hat vor dem Finale zwar richtigerweise betont, dass man mit einem starken Halbfinale noch kein Weltmeister ist. Doch Khedira darf sich freuen: Mit einem gewonnenen Finale im Rücken bleibt auch das 7:1 mindestens genauso legendär. Und da war Khedira mit Kroos der beste Mann auf dem Platz. Eine geschlossene Wade hindert einen Khedira ja ohnehin nicht am weitermachen. Er wird definitiv wiederkommen. Wahrscheinlich mal wieder stärker denn je.

Per Mertesacker

Merte fühlte sich auch dann noch für alle verantwortlich, als er selbst aus der Elf gepurzelt war, was alles andere als selbstverständlich ist. Ein großer Mann mit großem Herz. Schön, dass er auch im Finale noch eingewechselt wurde. Muss bleiben, mindestens so lange wie Klose. Als was auch immer.

Lukas Podolski

Der gute, alte Poldi ist ein Muster an guter Laune. Seine WM? Na ja. Eher zu vernachlässigen. Wird sich schwer tun, seinen Platz noch einmal zu finden. Andererseits: Löw schätzt ihn sehr. Könnte der neue Klose oder ein weiterer Mertesacker werden. Fürs Binnenklima nicht zu unterschätzen. Muss bleiben. Als was? Als Lukas Podolski.

Julian Draxler

Julian Draxler ist auf dem Weg, der neue Spaßvogel  (prankster; comedian) des Nationalteams zu werden. Auf der Fanmeile in Berlin sang er: "Großkreutz, rück den Döner raus!" (Kevin G. coughed up the filled pita pocket-- I don't get it either-- but this is what Julian had the 400K fans in Berlin chanting. -- rsb) und schmähte (taunted) damit aus Spaß seinen Dortmunder Kollegen. Die Stimmung war also prächtig bei Julian Draxler. Logisch, er ist Weltmeister und stand beim 7:1 gegen Brasilien für 20 Minuten auf dem Feld. Von diesem Spiel wird er noch seinen Kindern, Enkelkindern und Urenkelkindern erzählen. Vielleicht erzählt er dann ja auch von Kevin Großkreutz.

Matthias Ginter, Erik Durm, Kevin Großkreutz

Die beiden Jungspunde (whipper-snappers) Ginter und Durm und der Allrounder Großkreutz waren die perfekten Ergänzungsspieler (subs) für Löw. Sie durften WM-Luft (air) schnuppern (to sniff), wären zur Not zur Stelle gewesen, stellten aber keine Ansprüche und dürften die Wahnsinns-Wochen einfach nur genossen (enjoyed, geniessen = to enjoy)  haben.

Roman Weidenfeller, Ron-Robert Zieler  (Torhüter)

Neuers Schulter hielt. Die beiden Ersatz-Keeper konnten dem WM-Spektakel daher entspannt zusehen - und sich bei Neuer noch einiges abgucken. Weidenfeller und Zieler wissen ja, dass sie beide so gut sind, dass sie wohl bei vielen anderen Nationen Stammtorhüter wären. 

Nur der Neuer, der schwebt eben in anderen Galaxien (simply orbits in other galaxies).

WM 2014, Weltmeister, Deutschland, Einzelkritik, Kritik der WM-ElfDer Weltmeister 2014 im Konfettiregen: Die deutsche Fußball-Nationalmannschaft©


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